Embryonale Fehlbildungen verhindern: Rechtzeitig an Folsäure denken

Der 25. Oktober ist Internationaler Spina bifida & Hydrocephalus Tag

Viele Frauen starten Prävention zu spät / Gute Versorgung mit Folsäure und Folat senkt Risiko um bis zu 70 Prozent / Folataufnahme in Deutschland generell unzureichend

Frankfurt am Main, 16. Oktober 2014 (akfg) – Zum dritten Mal findet am 25. Oktober der Internationale Spina bifida & Hydrocephalus Tag statt.1 Ziel ist es, weltweit das öffentliche Bewusstsein für diese angeborenen Fehlbildungen, sogenannte Neuralrohrdefekte, zu stärken und die Prävention zu verbessern. Hierbei spielt ein bestimmtes B-Vitamin, das Folat*, die Hauptrolle. Frauen sollten Folsäure* bereits vor der Schwangerschaft gezielt einnehmen, um ihr Kind bestmöglich zu schützen. Darauf weist Prof. Dr. Berthold Koletzko, Sprecher des Arbeitskreises Folsäure und Gesundheit (www.ak-folsaeure.de), hin. In Deutschland sei die Versorgung mit Folat generell unzureichend und zu wenige Frauen nähmen Folsäure rechtzeitig, das heißt schon bei Kinderwunsch, zu sich.

Aus dem Neuralrohr entwickeln sich beim Embryo Gehirn und Rückenmark. Wenn sich das Neuralrohr im Frühstadium der Schwangerschaft, zwischen dem 22. und  28. Tag nach der Empfängnis, nicht richtig schließt, kommt es zu Fehlbildungen wie Spina bifida und Hydrocephalus.

Die Folgen von Spina bifida und Hydrocephalus

Spina bifida bedeutet so viel wie „gespaltener Wirbel“. Die Konsequenzen für das Kind können sehr unterschiedlich sein. Die geschlossene Form (Spina bifida occulta) ist äußerlich kaum erkennbar und verläuft zunächst symptomfrei. Bei der offenen Form (Spina bifida aperta) tritt das Rückenmark durch den Wirbeldefekt aus seinem unverschlossenen Kanal heraus und liegt ungeschützt an der Körperoberfläche – daher auch die umgangssprachliche Bezeichnung „offener Rücken“. Die Schädigung des fehlgebildeten Rückenmarks führt zu einer Querschnittslähmung, die je nach Höhe der Spina bifida unterschiedlich ausgeprägt ist. Bei 80 Prozent der Betroffenen kann zudem das Hirnwasser nicht mehr richtig  abfließen. Es staut sich im Kopf, der sich krankhaft vergrößert. Man spricht dann von einem Hydrocephalus.2,3  

Diagnose und Behandlung

Festgestellt werden Neuralrohrdefekte meist um die 20. Schwangerschaftswoche bei einem Vorsorgeultraschall. Operativ wird direkt nach der Entbindung das offene Rückenmark abgedeckt, meist muss das Nervenwasser künstlich abgeleitet werden (Shuntversorgung). Diese lebensnotwendigen Eingriffe können jedoch die zuvor entstandenen Nervenschädigungen bzw. Lähmungen nicht heilen. Die meisten Eltern entscheiden sich daher, konfrontiert mit der vorgeburtlich gestellten Diagnose, für einen Schwangerschaftsabbruch.

Mit Folsäure und Folat vorsorgen!

„Gesichert ist, dass eine optimale mütterliche Folatversorgung das Risiko für Neuralrohrdefekte deutlich senken kann – wie Studien zeigen um etwa 70 Prozent“, sagt Koletzko. „In Deutschland tritt bei jährlich 700 bis 1.000 Schwangerschaften ein Neuralrohrdefekt auf. Somit wären bis zu 700 Fälle dieser Fehlbildungen pro Jahr vermeidbar, wenn alle Mütter frühzeitig die Aufnahme von Folsäure und Folat optimieren.“

Der Experte für Kinderheilkunde weist darauf hin, dass zur Prävention ein ausreichender Folatspiegel schon zu Beginn der Schwangerschaft erreicht sein müsse. „Alle Frauen, die schwanger werden wollen, sollten deshalb zusätzlich zu einer folatreichen Ernährung täglich ein Folsäure-Präparat mit mindestens 400 Mikrogramm einnehmen.“ Es sei ratsam, die Supplementation mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortzuführen, rät Koletzko. So auch die Empfehlung führender deutscher Fachgesellschaften wie der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin oder der Deutschen Gesellschaft Gynäkologie und Geburtshilfe.4 Viele Frauen, weiß Koletzko, starten mit einer zusätzlichen Zufuhr von Folsäure jedoch erst, nachdem sie wissen, dass sie schwanger sind – und damit zu spät. Hinzu kommt, dass über die Nahrung generell zu wenig von dem B-Vitamin zugeführt wird. Empfohlen sind täglich 300 Mikrogramm, bei Schwangeren und Stillenden sogar 550 bzw. 450 Mikrogramm. Aufgenommen werden in Deutschland durchschnittlich nur 200 Mikrogramm.

Vorteile angereicherter Grundnahrungsmittel

Vor allem Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte sind natürlicherweise reich an Folat. Jedoch lässt sich insbesondere der Folatbedarf von Frauen rund um die Schwangerschaft nicht allein über die tägliche Ernährung decken. Deshalb fügen unter anderem die USA oder Kanada dem Grundnahrungsmittel Mehl Folsäure hinzu. So konnten diese Länder die Folatversorgung der Bevölkerung verbessern und die Zahl der Neuralrohrdefekte reduzieren. Deutschen Verbrauchern empfiehlt der Arbeitskreis Folsäure und Gesundheit deshalb, im Haushalt mit Folsäure angereicherte Grundnahrungsmittel zu verwenden (wie z. B. Speisesalz mit Folsäure). „Damit kann es mehr Menschen im Alltag gelingen, besser mit dem B-Vitamin versorgt zu sein“, sagt Koletzko. Gerade auch Frauen, die ungeplant schwanger werden, könnten davon profitieren.

Weitere Informationen zum Thema erhalten Interessierte beim Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit, der vor mehr als 10 Jahren von Wissenschaftlern und Präventionsmedizinern gegründet wurde: www.ak-folsaeure.de

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* Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.

Quellen:

  1. International Federation for Spina Bifida and Hydrocephalus (http://www.worldspinabifidahydrocephalusday.com/, abgerufen am 28.09.2014)
  2. Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V.:  Spina bifida (http://www.asbh.de/spinabifida.html, abgerufen am 28.09.2014)
  3. Arbeitsgemeinschaft Spina bifida und Hydrocephalus e.V.:  Hydrocephalus (http://www.asbh.de/hydrocephalus.html, abgerufen am 28.09.2014)
  4. B Koletzko et al.: Ernährung in der Schwangerschaft – Teil 1. Handlungsempfehlungen des Netzwerks „Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie“. Dtsch Med Wochenschr 2012; 137: 1309-1313

16. Oktober 2014

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