Studie: Die Anreicherung von Mehl mit Folsäure könnte Psychosen bei Kindern verhindern

Backzutaten und Utensilien

Die Ergebnisse einer Studie des Massachusetts General Hospitals (MGH) der Harvard Medical School legen nah, dass Folsäure* das Risiko für psychische Störungen im Jugendalter verringert. Die Forscher hatten den Einfluss von Folsäure bei amerikanischen Kindern untersucht die vor, während und nach der Einführung der Folsäureanreicherung von Getreideprodukten in den USA geboren wurden. Sie fanden heraus, dass eine gute Versorgung mit dem B-Vitamin die Entwicklung der Großhirnrinde günstig beeinflusst (1). Experten empfehlen Frauen mit Kinderwunsch, auf ihre Folsäureversorgung zu achten, um das entstehende Kind vor schweren Fehlbildungen wie dem „offenen Rücken“, einem Defekt des Neuralrohrs, zu schützen. Bislang blieb jedoch die Frage, welchen Einfluss die Folsäureversorgung auf die Gehirnentwicklung des Kindes hat, noch unbeantwortet. Die vielversprechenden Daten des MGHs deuten an, dass eine ausreichende Folsäureversorgung noch weitere positive Einflüsse haben könnte.

1996 hatte die US-Regierung die Anreicherung von Getreideprodukten mit 140 μg Folsäure pro 100 g beschlossen. Seit 1998 ist diese verpflichtend. Dadurch sollte die Folsäureaufnahme, insbesondere bei Frauen im gebärfähigen Altern, erhöht werden. Eine ausreichende Versorgung mit Folsäure von Schwangeren, vor allem in den ersten Schwangerschaftswochen, beugt beim Embryo schweren Fehlbildungen vor. Seit Einführung der Folsäureanreicherung sind in den USA diese Fehlbildungen signifikant zurückgegangen (2). Eine Studie des MGH zeigt nun, dass auch die Häufigkeit psychologischer Erkrankungen durch eine ausreichende Folsäureversorgung gesenkt werden könnte (1).

„Die positiven Auswirkungen auf die Psyche sollten ein weiterer Grund für Frauen sein, rechtzeitig bei Kinderwunsch auf ihre Folsäureversorgung zu achten“, sagt Kinderarzt Dr. Burkhard Lawrenz Sprecher des Arbeitskreis Folsäure. „Für Frauen im gebärfähigen Alter wäre eine Anreicherung von Grundnahrungsmitteln sinnvoll. So könnten auch Kinder profitieren, deren Mütter ungeplant mit ihnen schwanger werden.“

Viel Folsäure – Dickere Großhirnrinde

Das MGH hatte unterschiedliche Gruppen von Kindern und Jugendlichen untersucht: Kinder, deren Mütter schwanger geworden waren bevor und nachdem die Folsäureanreicherung von Getreideprodukten eingeführt wurde. Die Forschenden maßen bei fast 300 Kindern die Dicke der Großhirnrinde, der äußersten Schicht des Gehirns. Durch normale Alterungsprozesse verringert sich die Dicke der Großhirnrinde ab einem Alter von ca. 6 Jahren. Das kann mittels einer Magnetresonanz Tomographie (MRT) sichtbar gemacht werden. Im Vergleich zeigte sich, dass die Dicke der Großhirnrinde langsamer abgenommen hatte, wenn die Kinder nach der Einführung der Folsäureanreicherung gezeugt worden waren. Wenn die Kinder noch vor der Einführung der Folsäureanreicherung geboren, hatten sie deutlich dünnere Großhirnrinden. Bei einer dritten Gruppe waren die Kinder in der Übergangsphase gezeugt worden – nach Beschluss der Einführung aber vor in Kraft treten der Folsäureanreicherung. Die Dicke der Großhirnrinde dieser Kinder lag genau zwischen den Ergebnissen der beiden anderen Gruppen. Aus diesem Grund vermuten die Forscher, dass Folsäure die Dicke der Großhirnrinde dosisabhängig beeinflusst (1).

Folsäure schützt vor psychischen Erkrankungen

Die verfrühte Verdünnung der Großhirnrinde steht mit einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen im Zusammenhang (3). Die ausreichende Versorgung mit Folsäure während der frühen Phase der Schwangerschaft könnte also bei den Kindern psychische Erkrankungen vorbeugen. Kohortenstudien aus Philadelphia und Washington D.C. bestätigten die Daten des MGH. Auf welche Weise Folsäure die Gehirnentwicklung beeinflusst ist jedoch noch nicht bekannt. Die Forschenden vermuten, dass Folsäure die Regulierung der Gene beeinflusst, die für die Entwicklung der Großhirnrinde verantwortlich sind (1).

Empfehlungen für eine bessere Versorgung

Um ihre Bevölkerung und besonders jüngere Frauen besser mit Folsäure zu versorgen, reichern bereits 81 Länder weltweit bestimmte Grundnahrungsmittel mit Folsäure an (5). Während in Europa die Bestrebungen für eine Anreicherung sehr verhalten sind (4), werden in den USA seit 1998 ausgewählte Mehlsorten angereichert. Mit gutem Ergebnis: Seitdem werden dort Neuralrohrdefekte nur noch etwa halb so oft wie vor Beginn der Anreicherung beobachtet (2, 6). In Deutschland können Verbraucher gezielt auf Nahrungsmittel achten, die Hersteller freiwillig mit Folsäure anreichern, wie etwa bestimmte Speisesalze, Backmischungen oder Frühstücksflocken. Das B‑Vitamin kommt außerdem natürlicherweise in Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten vor. Im Alltag wird davon jedoch meist zu wenig gegessen. „Die Entwicklung des Neuralrohrs und des Gehirns beginnt bereits in den ersten Schwangerschaftswochen“, sagt Dr. Lawrenz. „Daher sollten Frauen bereits vor der Schwangerschaft auf eine ausreichende Folatversorgung achten. Dies kann man in Deutschland am sichersten mit einem Nahrungsergänzungsmittel erreichen. Auch Frauen im gebärfähigen Alter sollten in ihrer Ernährung auf den Folatgehalt achten – falls sie ungeplant schwanger werden.“

Zeichen mit Leerzeichen: 5.176

* Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.


Quellen:

1)       Erylmaz H, et al. (2018): Association of Prenatal Exposure to Population-Wide Folic Acid Fortification With Altered Cerebral Cortex Maturation in Youths. JAMA Psychiatry. 75(9):918-928.

2)       Obeid R, Oexle K, Rißmann A, Pietrzik K, Koletzko B. (2016): Folate status and health: challenges and opportunities. J Perinat Med. 1;44(3):261-8.

3)      Narr KL et al. (2005): Mapping cortical thickness and gray matter concentration in first episode schizophrenia. Cereb Cortex. 15(6):708-719.

4)      Obeid R, Pietrzik K, (2016): Neuralrohrdefekte: Das Veto gegen Folsäure im Mehl sollte überdacht werden. Dtsch Ärztebl. 115(27-28): A-1329 / B-1123 / C-1115.

5)      Food Fortification Initiative (2018): Country Profiles for Grain Fortification. Online unter:  http://www.ffinetwork.org/ country_profiles/index.php; Letzter Aufruf 24.9.2018.

6)      Obeid R, Pietrzik K, Oakley GP Jr, Kancherla V, Holzgreve W, Wieser S. (2015): Preventable Spina Bifida and Anencephaly in Europe. Birth Defects Research (Part A): Clinical and Molecular Teratology 2015. Birth Defects Res A Clin Mol Teratol. 103(9):763-71.

Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten

Frauen im gebärfähigen Alter fehlt es an Folat – größeres Wissen über gute Versorgung und Nutzen nötig

Strukturformel Folsäure

Das B-Vitamin Folat, auch als Folsäure* bekannt, spielt eine wichtige Rolle, wann immer sich Zellen im menschlichen Körper neu bilden. Besonders für Frauen im gebärfähigen Alter ist deshalb eine gute Versorgung mit dem Vitamin wichtig: Denn dadurch können im Falle einer Schwangerschaft schwere Fehlbildungen, sogenannte Neuralrohrdefekte, beim Embryo vermieden werden. Doch gerade bei jüngeren Frauen gibt es hierzulande eine generelle Unterversorgung mit Folat, wie die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland erneut gezeigt hat.

Das B-Vitamin Folat, auch als Folsäure* bekannt, spielt eine wichtige Rolle, wann immer sich Zellen im menschlichen Körper neu bilden. Besonders für Frauen im gebärfähigen Alter ist deshalb eine gute Versorgung mit dem Vitamin wichtig: Denn dadurch können im Falle einer Schwangerschaft schwere Fehlbildungen, sogenannte Neuralrohrdefekte, beim Embryo vermieden werden. Doch gerade bei jüngeren Frauen gibt es hierzulande eine generelle Unterversorgung mit Folat, wie die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland (DEGS1) erneut gezeigt hat: Demnach nahmen rund 95 Prozent der untersuchten 18 bis 49-jährigen Frauen für den Fall, dass sie schwanger werden, zu wenig Folat zu sich (1, 2).

„Leider ist vielen Frauen, die schwanger werden wollen oder können, noch immer nicht genügend bewusst, wie wichtig eine gute Folatversorgung ist – und wie diese erreicht werden kann“, sagt Professor Berthold Koletzko, LMU-Universität München. Eine gesunde Ernährung allein reiche dafür erfahrungsgemäß meist nicht aus. Zusätzlich notwendig, so der Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit (AK Folsäure), sei die Einnahme von Folsäure-Präparaten. Auch sollten mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel, in Deutschland etwa bestimmte Speisesalze oder Backwaren, verwendet werden. Mit jährlich bis zu 1.000 Fällen liegt die Zahl für Neuralrohrdefekte in Deutschland nach wie vor hoch (3). Wenigstens die Hälfte dieser Fehlbildungen ließe sich, so Koletzko, durch eine gute Folatversorgung einfach und wirksam vermeiden.

Folatstatus jüngerer Frauen mangelhaft

Für die DEGS1-Studie ermittelten Wissenschaftler repräsentativ für die erwachsene Bevölkerung unter anderem die Folatkonzentration in den roten Blutkörperchen (Erythrozyten). Um Neuralrohrdefekte zu vermeiden empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation WHO einen Wert von mindestens 400 Nanogramm pro Milliliter (ng/ml). Tatsächlich erreichten aber nur ganze 3 Prozent der 18 bis 29-jährigen Frauen und 4 Prozent der 30 bis 49-jährigen diesen Wert (1). „Damit ist der Folatstatus der allermeisten Frauen im reproduktionsfähigen Alter in Deutschland höchst kritisch“, so Koletzko. Zu einem ähnlichen Ergebnis war zuvor schon die Nationale Verzehrsstudie II gekommen: die tägliche Zufuhr an Folat bzw. Folsäure lag bei jüngeren Frauen durchschnittlich bei nur 200 Mikrogramm (1). Die Zufuhr lag damit deutlich unterhalb der 300 Mikrogramm, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung generell allen Erwachsenen empfiehlt und weit entfernt von den 550 bzw. 450 Mikrogramm, die Schwangere und Stillende zu sich nehmen sollten.

Zu den angeborenen Neuralrohrdefekten zählen die oft als „offener Rücken“ bezeichnete Spina bifida und die Anenzephalie, bei der das embryonale Gehirn nicht richtig ausgebildet wird. Einer der Gründe, warum solche Fehlbildungen in Deutschland und Europa schon seit Jahren unverändert häufig auftreten, ist der frühe Zeitpunkt des Neuralrohrschlusses: Dieser erfolgt bis zum 28. Tag einer Schwangerschaft, von der aber die Frauen dann noch gar nichts wissen. „Um für diese kritische Phase gerüstet zu sein empfehlen Experten, dass Frauen schon beginnend mit dem Kinderwunsch Präparate mit Folsäure zu sich nehmen“, betont Koletzko. Allerdings werde dieser Rat noch immer oft zu spät oder gar nicht umgesetzt. Hinzu komme der hohe Anteil von an die 50 Prozent ungeplanter Schwangerschaften, bei denen erst recht nicht an eine präventive Vorsorge mit Folsäure/Folat gedacht werde.

Empfehlungen für eine bessere Versorgung

Um ihre Bevölkerung und besonders jüngere Frauen besser mit dem B-Vitamin zu versorgen, reichern bereits rund 80 Länder weltweit bestimmte Grundnahrungsmittel generell mit Folsäure an – aber bisher noch kein Land in Europa. In den USA zum Beispiel betrifft diese Maßnahme seit 1998 ausgewählte Mehlsorten. Mit gutem Ergebnis: Seitdem werden dort Neuralrohrdefekte nur noch etwa halb so oft wie vor dem Start der Anreicherung beobachtet (4). In Deutschland können Verbraucher gezielt auf solche Nahrungsmittel achten, denen die Hersteller freiwillig Folsäure zugeben, wie etwa bestimmte Speisesalze, Backmischungen oder Frühstücksflocken. Um ausreichend mit dem B-Vitamin versorgt zu sein, sollten auch möglichst häufig Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Vollkornprodukte auf dem Speiseplan stehen. Im Alltag ist die Umsetzung aber oft schwierig. Besonders wichtig ist es deshalb auch, dass schon Frauen mit Kinderwunsch täglich ein Folsäure-Präparat mit mindestens 400 Mikrogramm Folsäure einnehmen. Werden diese Tipps beherzigt, so Koletzko, lasse sich gut ein gegenüber Neuralrohrdefekten präventiv wirksamer Folatspiegel aufbauen.

Zeichen mit Leerzeichen: 4.629

* Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.


Quellen:

1)Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016): Folat. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 13. Ernährungsbericht. Bonn, 47-51
2)Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016) Folatversorgung in Deutschland. Journal of Health Monitoring 1 (2):26-30 DOI 10.17886/RKI-GBE-2016-034.2
3)Obeid R, Oexle K, Rißmann A, Pietrzik K, Koletzko B. (2016): Folate status and health: challenges and opportunities. J Perinat Med. Apr 1;44(3):261-8. doi: 10.1515/jpm-2014-0346.
4)Obeid R, Pietrzik K, Oakley GP Jr, Kancherla V, Holzgreve W, Wieser S. (2015): Preventable Spina Bifida and Anencephaly in Europe. Birth Defects Research (Part A): Clinical and Molecular Teratology. 2015 Birth Defects Res A Clin Mol Teratol. Sep;103(9):763-71.

24. August 2017

Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten

Optimale Folatversorgung: Angereicherte Nahrungsmittel und Supplemente sollten sich ergänzen

Backzutaten und Utensilien

Das B-Vitamin Folat (auch: Folsäure*) schützt den Nachwuchs vor angeborenen Fehlbildungen, den sogenannten Neuralrohrdefekten, die durch die gestörte Entwicklung des Rückenmarks oder des Gehirns in den ersten Schwangerschaftswochen entstehen können. „Um Neuralrohrdefekte zu verhindern, wird bereits seit drei Jahrzehnten die präventive Einnahme von Folsäuretabletten für alle Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen“, sagt Professor Berthold Koletzko.

Das B-Vitamin Folat (auch: Folsäure*) schützt den Nachwuchs vor angeborenen Fehlbildungen, den sogenannten Neuralrohrdefekten, die durch die gestörte Entwicklung des Rückenmarks oder des Gehirns in den ersten Schwangerschaftswochen entstehen können. „Um Neuralrohrdefekte zu verhindern, wird bereits seit drei Jahrzehnten die präventive Einnahme von Folsäuretabletten für alle Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen“, sagt Professor Berthold Koletzko von der LMU-Universität München, Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit (AK Folsäure). „Für die Verbesserung der Folatversorgung ist diese Empfehlung von zentraler Bedeutung – selbst dann, wenn Grundnahrungsmittel mit Folsäure angereichert werden“, ergänzt Koletzko. In den USA werden seit 1998 Getreideprodukte obligatorisch Folsäure enthalten, wodurch sich die Häufigkeit dieser angeborenen Fehlbildungen halbiert hat. Laut einer amerikanischen Ernährungserhebung haben aber dennoch fast ein Viertel der Frauen im gebärfähigen Alter zu geringe Folatspiegel im Blut (1). Die neueste Leitlinie des US-amerikanischen Präventionsausschusses bestätigt, dass alle Frauen möglichst einen Monat vor Beginn der Schwangerschaft mit der Einnahme von Folsäure beginnen sollten.

Bereits in etwa 80 Ländern: Folsäure-Anreicherung

Wissenschaftliche Studien in den 1980er und 1990er-Jahren zeigten, dass durch die Einnahme von Folsäuretabletten das Auftreten von Neuralrohrdefekten sank (2). Daraufhin wurde von Experten die Supplementation von Folsäure in Tablettenform empfohlen, was allerdings viele Frauen nicht umsetzten. Die Verantwortlichen in den USA und Kanada entschieden sich deshalb schon 1998, Nahrungsmittel mit Folsäure anzureichern. Seitdem enthalten bestimmte Getreideprodukte und dementsprechend alle daraus produzierten Nahrungsmittel 140 Mikrogramm Folsäure pro 100 Gramm. Mittlerweile geschieht eine solche Anreicherung in etwa 80 Ländern weltweit – mit Ausnahme Europas.

Jahrelange Anreicherung in den USA ohne negative Effekte

Mögliche Bedenken gegenüber einer Folsäureanreicherung von Grundnahrungsmitteln sind unbegründet. „Nachteilige Effekte haben sich nicht gezeigt“, betont Professor Koletzko. Die Sicherheit von Folsäure wurde in groß angelegten Untersuchungen bestätigt, zum Teil mit sehr hoher Dosierung von 2,5 mg Folsäure pro Tag (3). Auch die Daten aus den USA und in Kanada belegen die Sicherheit der seit zwei Jahrzehnten vorgenommenen Lebensmittelanreicherung. Die Anreicherung hat in Nordamerika zu einem deutlichen Rückgang von Neuralrohrdefekten geführt. Dort werden 5 bis 6 Fälle pro 10.000 Schwangerschaften verzeichnet (4). In Europa dagegen ist die Rate mit etwa 9 Fällen pro 10.000 Schwangerschaften seit vielen Jahren unverändert hoch, mit unendlichem Leid für betroffene Kinder und ihre Familien (5).

Besteht der Wunsch nach einer Schwangerschaft, sollten Frauen also immer beides tun: Folsäure supplementieren und, soweit vorhanden, mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel verwenden. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass in Deutschland etwa 95 Prozent der Frauen zwischen 18 und 49 Jahren mit Blick auf eine Schwangerschaft nicht adäquat mit Folsäure/Folat versorgt sind (6). „Diese ernüchternden Zahlen machen deutlich, dass auch hierzulande beide Maßnahmen, also Folsäuresupplemente und angereicherte Nahrungsmittel, Hand in Hand gehen sollten, damit Frauen optimal für eine mögliche Schwangerschaft versorgt sind“, erklärt Koletzko. Frauen mit Kinderwunsch wird empfohlen, täglich ein Präparat mit mindestens 400 Mikrogramm Folsäure einzunehmen. Daneben rät der AK Folsäure zu einer folatreichen Ernährung mit Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten sowie angereicherten Lebensmitteln, in Deutschland etwa Speisesalze, Backmischungen oder Frühstücksflocken.

Zeichen mit Leerzeichen: 3.770

* Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.


Quellen:

1)US Preventive Services Task Force (2017): Folic Acid Supplementation for the Prevention of Neural Tube Defects: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 317(2):183-189. doi: 10.1001/jama.2016.19438
2)MRC Vitamin Study Research Group (1991): Prevention of neural tube defects: results of the Medical Research Council Vitamin Study. Lancet. 1991;338 (8760):131-137.
3)Vollset et al. (2013): Effects of folic acid supplementation on overall and site-specific cancer incidence during the randomized trials: meta-analyses of data on 50,000 individuals. Lancet. Mar 23;381(9871):1029-36.
4)Obeid R, Oexle K, Rißmann A, Pietrzik K, Koletzko B (2016): Folate status and health: challenges and opportunities. J Perinat Med. Apr 1;44(3):261-8. doi: 10.1515/jpm-2014-0346.
5)Khoshnood et al. (2015): Long term trends in prevalence of neural tube defects in Europe: population based study. BMJ; 351 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h5949.
6)Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016): Folat. In: Deut-sche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 13. Ernährungsbericht. Bonn, 47-51

24. August 2017

Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten