Folsäure kann angeborene Fehlbildungen verhindern

Das Bewusstsein für angeborene Fehlbildungen zu schärfen und Präventionsmöglichkeiten aufzuzeigen – das ist das Ziel des Weltfehlbildungstages am 03. März. „Ein wichtiger Tag“, sagt Privatdozentin Dr. Anke Rißmann, Sprecherin des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit und Leiterin des einzigen Fehlbildungsmonitorings in Deutschland angesiedelt an der Universitätsmedizin Magdeburg. „Noch immer gibt es in Bezug auf angeborene Fehlbildungen viel Aufklärungsbedarf und ungenutztes Präventionspotenzial. So kommt es beispielsweise bei rund 1 von 1.000 Schwangerschaften in Deutschland nach wie vor zu einem Neuralrohrdefekt.“ Eine Fehlbildung des Gewebes, aus dem sich im Verlauf der Schwangerschaft das Gehirn und Rückenmark entwickelt. Zu den häufigsten Formen zählt die Spina bifida, die umgangssprachlich oft auch als „offener Rücken“ bezeichnet wird. Die Folgen sind lebenslange und mitunter schwerwiegende gesundheitliche Beeinträchtigungen und Behinderungen. „Doch über 50 Prozent dieser Fälle könnten durch eine ausreichende Folatversorgung über die Ernährung sowie die zusätzliche Einnahme von Folsäure vor und während Schwangerschaft vermieden werden“, betont die Kinder- und Jugendärztin und ergänzt: „Daher sollen alle Frauen mit Kinderwunsch und darüber hinaus unbedingt an Folsäure denken, um für ausreichende Folatspiegel im Körper zu sorgen.“

Angeborene Herzfehler und Folsäure  

Doch nicht nur für die Entwicklung von Gehirn und Rückenmark spielt das Vitamin eine wichtige Rolle. So sind Herzfehler die häufigste Form angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen. Mit rund 80 Fällen pro 10.000 Geburten treten sie noch öfter als Neuralrohrdefekte auf. Aber auch hier kann das Risiko laut einer Übersichtsstudie aus dem Jahr 2021 um 18 Prozent verringert werden, wenn Mütter vor und während der Schwangerschaft Folsäurepräparate einnehmen. „Ein Grund ist, dass bereits in den ersten Schwangerschaftswochen die Zellteilung auf Hochtouren läuft und sich wichtige Organe wie das Herz und das Neuralrohr entwickeln. Dabei spielen Folate eine entscheidende Rolle, da sie an diesen Prozessen beteiligt sind“, erklärt Dr. Rißmann. „Es muss zwar berücksichtigt werden, dass auch andere Faktoren wie genetische Veranlagungen und Umwelteinflüsse für die Entstehung solcher angeborenen Fehlbildungen verantwortlich sein können, doch durch eine ausreichende Folatversorgung könnten es deutlich weniger Fälle sein.“  

Klare Empfehlung zur Folsäuresupplementation 

Den Mehrbedarf in der Schwangerschaft allein über die Ernährung zu decken, ist kaum möglich. Zwar stellt eine folatreiche Ernährung mit viel grünem Blattgemüse, Vollkornprodukten, Hülsenfrüchten und der Verwendung von mit Folsäure angereichertem Jodsalz eine gute Basis dar, doch wird die zusätzliche Einnahme von Folsäure von zahlreichen Fachgesellschaften und medizinischen Berufsverbänden ausdrücklich empfohlen: Frauen, die schwanger werden wollen oder können, sollen demnach Minimum vier Wochen vor Schwangerschaftsbeginn mit der Einnahme von mindestens 400 Mikrogramm Folsäure beginnen und diese mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortführen. Wer erst kurz vor oder bei Schwangerschaftsbeginn mit der Einnahme starten kann, dem werden 800 Mikrogramm am Tag empfohlen.  

Deutschlandweites Fehlbildungsmonitoring wünschenswert 

Im Jahr 2022 forderte die Bundesärztekammer erneut, ein nationales Fehlbildungsmonitoring zu schaffen – um zum einen die Versorgung von betroffenen Kindern und ihren Familien zu verbessern und zum anderen um Therapie- und weitere Präventionsmöglichkeiten zu erforschen. Auch die Expertin Dr. Rißmann spricht sich dafür aus: „Eine flächendeckende Erfassung von angeborenen Fehlbildungen und ihren Ursachen wäre ein wichtiger Schritt, um diese noch besser zu verstehen und deren Häufigkeit weiter zu reduzieren.“ 

Quellen: 

Auch gut fürs Herz: Folsäuresupplementation geht mit vermindertem Risiko für angeborene Herzfehler einher

Von der ersten Schwangerschaftswoche an läuft die Zellteilung auf Hochtouren, damit aus der befruchteten Eizelle ein Embryo entsteht. Bereits früh werden dabei das Herz sowie das Neuralrohr gebildet, aus dem sich das zentrale Nervensystem entwickelt. „Eine Unterversorgung der Schwangeren in dieser Zeit mit dem B-Vitamin Folat kann nicht nur das Risiko für Neuralrohrdefekte, sondern auch das für angeborene Herzfehler erhöhen“, sagt Professorin Dr. Rima Obeid von der Universität des Saarlandes und Beisitzerin im Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit. In einer systematischen Übersichtsarbeit zeigten Obeid und ihr Team: Die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit angeborenem Herzfehler zu bekommen, war bei denjenigen Frauen niedriger, die folsäurehaltige Supplemente in der Schwangerschaft eingenommen haben.1

Risiko um 18 Prozent geringer

Angeborene Herzfehler sind mit einer Häufigkeit von rund 80 Fällen pro 10.000 Geburten in Europa die häufigste Form angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen (31,2 Prozent). Die Ursachen für Fehlbildungen am Herzen sind dabei vielfältig. „Zu den Risikofaktoren zählen genetische Faktoren, Infektionserkrankungen oder Alkoholkonsum. Aber auch die mütterliche Folsäuresupplementation vor und während der Schwangerschaft hat möglicherweise einen Einfluss“, erklärt Obeid. „Unsere Analyse von über 40 weltweit durchgeführten Studien hat gezeigt, dass das Risiko für angeborene Herzfehler um 18 Prozent geringer war, wenn die Mütter ein Folsäure- oder gleichwertiges Folatpräparat in dieser Zeit einnahmen. Das unterstreicht abermals die präventive Bedeutung von Folsäure“, so die Wissenschaftlerin.

Gute Folatversorgung spätestens ab Kinderwunsch

„Um ausreichende und präventiv wirksame Folatspeicher im Körper zu erreichen, sollten Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, mindestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft mit der Supplementation beginnen und diese mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortführen“, rät Obeid. Zahlreiche Fachgesellschaften und medizinische Berufsverbände empfehlen, neben einer folatreichen Ernährung zusätzlich 400 Mikrogramm Folsäure oder gleichwertige Folatverbindungen in Tablettenform einzunehmen. Wenn erst kurz vor oder bei Schwangerschaftsbeginn mit der Einnahme begonnen wird, raten Experten zu einer Dosierung von 800 Mikrogramm am Tag. Für eine gute Ausgangsbasis sorgt eine folatreiche Ernährung mit vielen verschiedenen Gemüsesorten wie Brokkoli, Grünkohl, Fenchel, Tomaten, Spargel und grünem Blattgemüse, aber auch mit Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkornprodukten und Eiern. Beim Kochen im eigenen Haushalt kann zusätzlich mit Folsäure und Jod angereichertes Speisesalz verwendet werden.

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Quellen:
1 Hans J., Abul-Khaliq, Obeid R. (2021) Der Zusammenhang zwischen Folsäuresupplementierung in der Schwangerschaft und angeborenen Herzfehlern. Gyne, 6/2021, S.23-27

2 Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR (2015) Fragen und Antworten zu Folat und Folsäure. https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-folat-und-folsaeure.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.05.2022)

 

Zur Person:
Prof. Dr. Rima Obeid studierte Pharmazie und Public Health und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum des Saarlandes. Sie leitet die Forschungsgruppe in der Klinischen Chemie und Laboratoriumsmedizin und beschäftigt sich mit den Folgen von Vitamin B12- und Folatmangel, insbesondere bei Schwangeren und älteren Menschen.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Vermittlung neuer evidenzbasierter Forschungsergebnisse über die Vorteile der Folsäure- beziehungsweise Folatsupplementation in der Schwangerschaft. Mit der Aufklärung zu diesem Thema verfolgt sie das Ziel, die Akzeptanz und das Bewusstsein für frühzeitige und bestmögliche Vorsorgemaßnahmen insbesondere bei jungen Frauen zu steigern.