Das B-Vitamin Folat (auch: Folsäure*) schützt den Nachwuchs vor angeborenen Fehlbildungen, den sogenannten Neuralrohrdefekten, die durch die gestörte Entwicklung des Rückenmarks oder des Gehirns in den ersten Schwangerschaftswochen entstehen können. „Um Neuralrohrdefekte zu verhindern, wird bereits seit drei Jahrzehnten die präventive Einnahme von Folsäuretabletten für alle Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen“, sagt Professor Berthold Koletzko.
Das B-Vitamin Folat (auch: Folsäure*) schützt den Nachwuchs vor angeborenen Fehlbildungen, den sogenannten Neuralrohrdefekten, die durch die gestörte Entwicklung des Rückenmarks oder des Gehirns in den ersten Schwangerschaftswochen entstehen können. „Um Neuralrohrdefekte zu verhindern, wird bereits seit drei Jahrzehnten die präventive Einnahme von Folsäuretabletten für alle Frauen im gebärfähigen Alter empfohlen“, sagt Professor Berthold Koletzko von der LMU-Universität München, Sprecher des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit (AK Folsäure). „Für die Verbesserung der Folatversorgung ist diese Empfehlung von zentraler Bedeutung – selbst dann, wenn Grundnahrungsmittel mit Folsäure angereichert werden“, ergänzt Koletzko. In den USA werden seit 1998 Getreideprodukte obligatorisch Folsäure enthalten, wodurch sich die Häufigkeit dieser angeborenen Fehlbildungen halbiert hat. Laut einer amerikanischen Ernährungserhebung haben aber dennoch fast ein Viertel der Frauen im gebärfähigen Alter zu geringe Folatspiegel im Blut (1). Die neueste Leitlinie des US-amerikanischen Präventionsausschusses bestätigt, dass alle Frauen möglichst einen Monat vor Beginn der Schwangerschaft mit der Einnahme von Folsäure beginnen sollten.
Bereits in etwa 80 Ländern: Folsäure-Anreicherung
Wissenschaftliche Studien in den 1980er und 1990er-Jahren zeigten, dass durch die Einnahme von Folsäuretabletten das Auftreten von Neuralrohrdefekten sank (2). Daraufhin wurde von Experten die Supplementation von Folsäure in Tablettenform empfohlen, was allerdings viele Frauen nicht umsetzten. Die Verantwortlichen in den USA und Kanada entschieden sich deshalb schon 1998, Nahrungsmittel mit Folsäure anzureichern. Seitdem enthalten bestimmte Getreideprodukte und dementsprechend alle daraus produzierten Nahrungsmittel 140 Mikrogramm Folsäure pro 100 Gramm. Mittlerweile geschieht eine solche Anreicherung in etwa 80 Ländern weltweit – mit Ausnahme Europas.
Jahrelange Anreicherung in den USA ohne negative Effekte
Mögliche Bedenken gegenüber einer Folsäureanreicherung von Grundnahrungsmitteln sind unbegründet. „Nachteilige Effekte haben sich nicht gezeigt“, betont Professor Koletzko. Die Sicherheit von Folsäure wurde in groß angelegten Untersuchungen bestätigt, zum Teil mit sehr hoher Dosierung von 2,5 mg Folsäure pro Tag (3). Auch die Daten aus den USA und in Kanada belegen die Sicherheit der seit zwei Jahrzehnten vorgenommenen Lebensmittelanreicherung. Die Anreicherung hat in Nordamerika zu einem deutlichen Rückgang von Neuralrohrdefekten geführt. Dort werden 5 bis 6 Fälle pro 10.000 Schwangerschaften verzeichnet (4). In Europa dagegen ist die Rate mit etwa 9 Fällen pro 10.000 Schwangerschaften seit vielen Jahren unverändert hoch, mit unendlichem Leid für betroffene Kinder und ihre Familien (5).
Besteht der Wunsch nach einer Schwangerschaft, sollten Frauen also immer beides tun: Folsäure supplementieren und, soweit vorhanden, mit Folsäure angereicherte Nahrungsmittel verwenden. Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass in Deutschland etwa 95 Prozent der Frauen zwischen 18 und 49 Jahren mit Blick auf eine Schwangerschaft nicht adäquat mit Folsäure/Folat versorgt sind (6). „Diese ernüchternden Zahlen machen deutlich, dass auch hierzulande beide Maßnahmen, also Folsäuresupplemente und angereicherte Nahrungsmittel, Hand in Hand gehen sollten, damit Frauen optimal für eine mögliche Schwangerschaft versorgt sind“, erklärt Koletzko. Frauen mit Kinderwunsch wird empfohlen, täglich ein Präparat mit mindestens 400 Mikrogramm Folsäure einzunehmen. Daneben rät der AK Folsäure zu einer folatreichen Ernährung mit Obst, Gemüse, Hülsenfrüchten und Vollkornprodukten sowie angereicherten Lebensmitteln, in Deutschland etwa Speisesalze, Backmischungen oder Frühstücksflocken.
Zeichen mit Leerzeichen: 3.770
* Folat und Folsäure: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird oder in Supplementen enthalten ist.
Quellen:
1) | US Preventive Services Task Force (2017): Folic Acid Supplementation for the Prevention of Neural Tube Defects: US Preventive Services Task Force Recommendation Statement. JAMA. 317(2):183-189. doi: 10.1001/jama.2016.19438 |
2) | MRC Vitamin Study Research Group (1991): Prevention of neural tube defects: results of the Medical Research Council Vitamin Study. Lancet. 1991;338 (8760):131-137. |
3) | Vollset et al. (2013): Effects of folic acid supplementation on overall and site-specific cancer incidence during the randomized trials: meta-analyses of data on 50,000 individuals. Lancet. Mar 23;381(9871):1029-36. |
4) | Obeid R, Oexle K, Rißmann A, Pietrzik K, Koletzko B (2016): Folate status and health: challenges and opportunities. J Perinat Med. Apr 1;44(3):261-8. doi: 10.1515/jpm-2014-0346. |
5) | Khoshnood et al. (2015): Long term trends in prevalence of neural tube defects in Europe: population based study. BMJ; 351 doi: http://dx.doi.org/10.1136/bmj.h5949. |
6) | Mensink GBM, Weißenborn A, Richter A (2016): Folat. In: Deut-sche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 13. Ernährungsbericht. Bonn, 47-51 |
24. August 2017
Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten