Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit fordert bessere Daten und mehr Prävention
Jedes Jahr am 3. März rückt der Weltfehlbildungstag die Prävention angeborener Fehlbildungen in den Fokus. Doch trotz langjähriger Bemühungen sind die Fallzahlen von angeborenen Fehlbildungen, wie Neuralrohrdefekten, seit vielen Jahren unverändert. Dies zeigt der aktuelle Jahresbericht des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt. Die Gründe dafür sind oftmals ein unzureichendes Problembewusstsein und die schleppende Umsetzung von Präventionsmaßnahmen. Um das zu verbessern, ist unter anderem eine bessere Datenlage notwendig. „In Deutschland fehlt nach wie vor ein flächendeckendes Fehlbildungsmonitoring. Doch das wäre wünschenswert, um ein vollständiges Bild über das tatsächliche Ausmaß, aber auch Risikofaktoren, regionale Unterschiede und Trends zu bekommen“, betont Privatdozentin Dr. Anke Rißmann, Sprecherin des Arbeitskreises Folsäure & Gesundheit und Leiterin des deutschlandweit einzigen populationsbasierten Fehlbildungsmonitorings in Sachsen-Anhalt. „Durch solche bundesweiten Daten könnten wir medizinische Fachkreise und Risikogruppen noch besser informieren sowie gezielter Präventionsmaßnahmen entwickeln oder optimieren. Ebenso könnten wir deren Effektivität kontrollieren“, so die Kinderärztin der Universitätsmedizin Magdeburg weiter. Ein Beispiel für eine einfache und effektive Maßnahme ist die Supplementierung von Folsäure bereits vor einer Schwangerschaft, um das Risiko für angeborene Fehlbildungen, wie Neuralrohrdefekte, zu senken.
Häufigkeit von Neuralrohrdefekten weiterhin unverändert
Laut dem aktuellen Bericht des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt liegt die Prävalenz von Neuralrohrdefekten seit Jahren bei rund 1 von 1.000 Schwangerschaften – dies ist mit den europäischen Daten vergleichbar. Ein Neuralrohrdefekt entsteht in den ersten Schwangerschaftswochen, wenn sich das Neuralrohr, aus dem sich im Schwangerschaftsverlauf das Gehirn und Rückenmark entwickeln, unvollständig oder gar nicht schließt. Eine der häufigsten Formen ist die Spina bifida, auch als „offener Rücken“ bekannt, die lebenslange gesundheitliche Beeinträchtigungen und Behinderungen mit sich bringen kann.
Folsäure hat großes Präventionspotenzial
Mindestens 50 Prozent der Neuralrohrdefekte könnten durch eine folatreiche Ernährung und die zusätzliche Einnahme von Folsäure vor und während der Schwangerschaft vermieden werden. „Viele Frauen wissen nicht, dass der Körper bereits vor der Schwangerschaft ausreichend mit Folat versorgt sein muss, um das Risiko eines Neuralrohrdefekts zu senken“, sagt Dr. Rißmann. Daher empfehlen zahlreiche medizinische Fachgesellschaften und Gesundheitsorganisationen Frauen mit Kinderwunsch, mindestens vier Wochen vor Schwangerschaftsbeginn, täglich 400 Mikrogramm Folsäure einzunehmen und das wenigstens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels. Wer erst kurz vor oder bei Schwangerschaftsbeginn mit der Einnahme starten kann, dem werden 800 Mikrogramm am Tag empfohlen. Für eine gute Ausgangsbasis sorgt eine folatreiche Ernährung: Besonders grünes Blattgemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte und mit Folsäure angereichertes Jodsalz können zur Versorgung beitragen. Die Ernährung allein reicht jedoch nicht aus, um den erhöhten Folatbedarf in der Schwangerschaft zu decken. Daher rät Dr. Rißmann allen Frauen, spätestens ab Kinderwunsch auf ihre Folatversorgung zu achten und frühzeitig Folsäure zu supplementieren.
Quellen:
- Fehlbildungsmonitoring Sachsen-Anhalt: Jahresbericht 2023. http://www.angeborene-fehlbildungen.com/monz_mm/Dokumente/Jahresberichte/Bericht2023_WEB.pdf (Letzter Zugriff 29.01.2025)
- EUROCAT: Prevalence charts and tables. https://eu-rd-platform.jrc.ec.europa.eu/eurocat/eurocat-data/prevalence_en (Letzter Zugriff 30.01.2025)
- Obeid R. et al. (2016) Folate status and health: challenges and opportunities. J. Perinat. Med; 44(3): 261–268, DOI: 10.1515/jpm-2014-0346
- Hans J., Abul-Khaliq, Obeid R. (2021) Der Zusammenhang zwischen Folsäuresupplementierung in der Schwangerschaft und angeborenen Herzfehlern. Gyne, 6/2021, S.23-27
- Koletzko B et al. (2018) Ernährung und Lebensstil vor und während der Schwangerschaft – Handlungsempfehlungen des bundesweiten Netzwerks Gesund ins Leben. Geburtshilfe Frauenheilkd 2018; 78(12): 1262-1282. DOI: 10.1055/a-0713-1058