Vor und während der Schwangerschaft an Folat und Folsäure denken

Gleich zu Schwangerschaftsbeginn läuft die Zellteilung auf Hochtouren – aus der befruchteten Eizelle entsteht ein Embryo. Bereits in dieser frühen Phase werden wichtige Gewebestrukturen wie das Herz und das Neuralrohr gebildet. Damit sich das zentrale Nervensystem samt Gehirn und Rückenmark normal entwickeln kann, schließt sich das Neuralrohr bereits in einer frühen Phase der Schwangerschaft, bis zum Ende der vierten Schwangerschaftswoche. „Bei etwa 1 von 1.000 Schwangerschaften in Deutschland kommt es allerdings zu keinem oder nur einem unvollständigen Verschluss, was Medizinerinnen und Mediziner als Neuralrohrdefekt bezeichnen. Zu den bekanntesten Formen zählt die Spina Bifida, umgangssprachlich oft auch ‚offener Rücken‘ genannt. Je nach Schweregrad können Neuralrohrdefekte zu erheblichen, bleibenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen“, erklärt Privatdozentin Dr. med. Anke Rißmann, Leiterin des Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt und stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit. „Eine rechtzeitige und bedarfsgerechte Versorgung mit Folat und Folsäure kann dabei helfen, das Risiko für Neuralrohrdefekte zu senken. Laut Expertinnen und Experten ließen sich so mindestens 50 Prozent aller Fälle vermeiden“, so die Kinderärztin weiter. Doch welche Bedeutung haben Folate in der Schwangerschaft und wie lassen sich präventiv wirksame Folatspiegel im Körper erreichen?

Folate für Zellteilungs- und Wachstumsprozesse

Unter dem Begriff Folate werden verschiedene Verbindungen oder Formen des Vitamins B9 zusammengefasst. Dazu gehören Folate, die natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen, aber auch die synthetisch hergestellte Folsäure. Die beständigere Folsäure dient zum Beispiel der Herstellung von Nahrungsergänzungsmitteln oder der Anreicherung von Lebensmitteln wie Speisesalz für den Gebrauch im Haushalt. „Folate spielen insbesondere in der Schwangerschaft eine wichtige Rolle, da sie an Zellteilungs- und Wachstumsprozessen beteiligt sind. Eine Unterversorgung in dieser Zeit kann das Risiko für Neuralrohrdefekte und andere angeborene Fehlbildungen erhöhen“, sagt Rißmann. „Das Ziel ist es, durch eine folatreiche Ernährung und eine zusätzliche Einnahme von Folsäure bereits vor einer Schwangerschaft präventiv wirksame Folatspiegel bei der Mutter zu erreichen.“

Auf frühzeitige Folsäuresupplementation achten

Eine folatreiche Ernährung unter anderem mit viel grünem Blattgemüse, Vollkornprodukten und Hülsenfrüchten bildet eine gute Ausgangsbasis. Doch in Deutschland nehmen viele Frauen im gebärfähigen Alter nicht genügend Folat über die Nahrung auf und haben mit Blick auf eine mögliche Schwangerschaft zu niedrige Folatspiegel im Körper. Erschwerend kommt hinzu, dass der Folatbedarf schon ab der Empfängnis, also der Befruchtung der Eizelle, erhöht ist. „Aus diesem Grund wird allen Frauen, die schwanger werden möchten oder könnten, die zusätzliche Einnahme von 400 Mikrogramm Folsäure am Tag in Tablettenform empfohlen. Denn meist ist nur so ein Erreichen eines präventiv wirksamen Folatspiegels möglich“, betont Rißmann und ergänzt: „Mindestens vier Wochen vor der Schwangerschaft, im Prinzip schon ab einem konkreten Kinderwunsch, sollten Frauen mit der Einnahme von Folsäurepräparaten beginnen und zumindest über das gesamte erste Schwangerschaftsdrittel beibehalten.“ Wer damit aber erst kurz vor oder bei Schwangerschaftsbeginn starten kann, sollte vorsorglich 800 Mikrogramm Folsäure am Tag einnehmen. Beratung rund um die Supplementation und eine bedarfsgerechte Ernährung erhalten Frauen und Paare mit Kinderwunsch beispielsweise in der Frauenarztpraxis, in der Apotheke und bei Ernährungsfachkräften.

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Quellen:

Auch gut fürs Herz: Folsäuresupplementation geht mit vermindertem Risiko für angeborene Herzfehler einher

Von der ersten Schwangerschaftswoche an läuft die Zellteilung auf Hochtouren, damit aus der befruchteten Eizelle ein Embryo entsteht. Bereits früh werden dabei das Herz sowie das Neuralrohr gebildet, aus dem sich das zentrale Nervensystem entwickelt. „Eine Unterversorgung der Schwangeren in dieser Zeit mit dem B-Vitamin Folat kann nicht nur das Risiko für Neuralrohrdefekte, sondern auch das für angeborene Herzfehler erhöhen“, sagt Professorin Dr. Rima Obeid von der Universität des Saarlandes und Beisitzerin im Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit. In einer systematischen Übersichtsarbeit zeigten Obeid und ihr Team: Die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit angeborenem Herzfehler zu bekommen, war bei denjenigen Frauen niedriger, die folsäurehaltige Supplemente in der Schwangerschaft eingenommen haben.1

Risiko um 18 Prozent geringer

Angeborene Herzfehler sind mit einer Häufigkeit von rund 80 Fällen pro 10.000 Geburten in Europa die häufigste Form angeborener Fehlbildungen bei Neugeborenen (31,2 Prozent). Die Ursachen für Fehlbildungen am Herzen sind dabei vielfältig. „Zu den Risikofaktoren zählen genetische Faktoren, Infektionserkrankungen oder Alkoholkonsum. Aber auch die mütterliche Folsäuresupplementation vor und während der Schwangerschaft hat möglicherweise einen Einfluss“, erklärt Obeid. „Unsere Analyse von über 40 weltweit durchgeführten Studien hat gezeigt, dass das Risiko für angeborene Herzfehler um 18 Prozent geringer war, wenn die Mütter ein Folsäure- oder gleichwertiges Folatpräparat in dieser Zeit einnahmen. Das unterstreicht abermals die präventive Bedeutung von Folsäure“, so die Wissenschaftlerin.

Gute Folatversorgung spätestens ab Kinderwunsch

„Um ausreichende und präventiv wirksame Folatspeicher im Körper zu erreichen, sollten Frauen, die schwanger werden wollen oder könnten, mindestens vier Wochen vor einer Schwangerschaft mit der Supplementation beginnen und diese mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels fortführen“, rät Obeid. Zahlreiche Fachgesellschaften und medizinische Berufsverbände empfehlen, neben einer folatreichen Ernährung zusätzlich 400 Mikrogramm Folsäure oder gleichwertige Folatverbindungen in Tablettenform einzunehmen. Wenn erst kurz vor oder bei Schwangerschaftsbeginn mit der Einnahme begonnen wird, raten Experten zu einer Dosierung von 800 Mikrogramm am Tag. Für eine gute Ausgangsbasis sorgt eine folatreiche Ernährung mit vielen verschiedenen Gemüsesorten wie Brokkoli, Grünkohl, Fenchel, Tomaten, Spargel und grünem Blattgemüse, aber auch mit Hülsenfrüchten, Nüssen, Vollkornprodukten und Eiern. Beim Kochen im eigenen Haushalt kann zusätzlich mit Folsäure und Jod angereichertes Speisesalz verwendet werden.

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Quellen:
1 Hans J., Abul-Khaliq, Obeid R. (2021) Der Zusammenhang zwischen Folsäuresupplementierung in der Schwangerschaft und angeborenen Herzfehlern. Gyne, 6/2021, S.23-27

2 Bundesinstitut für Risikobewertung – BfR (2015) Fragen und Antworten zu Folat und Folsäure. https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-folat-und-folsaeure.pdf (zuletzt aufgerufen am 11.05.2022)

 

Zur Person:
Prof. Dr. Rima Obeid studierte Pharmazie und Public Health und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Universitätsklinikum des Saarlandes. Sie leitet die Forschungsgruppe in der Klinischen Chemie und Laboratoriumsmedizin und beschäftigt sich mit den Folgen von Vitamin B12- und Folatmangel, insbesondere bei Schwangeren und älteren Menschen.

Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Vermittlung neuer evidenzbasierter Forschungsergebnisse über die Vorteile der Folsäure- beziehungsweise Folatsupplementation in der Schwangerschaft. Mit der Aufklärung zu diesem Thema verfolgt sie das Ziel, die Akzeptanz und das Bewusstsein für frühzeitige und bestmögliche Vorsorgemaßnahmen insbesondere bei jungen Frauen zu steigern.