Nach Senkung der DGE-Referenzwerte: Folat-Versorgung in Deutschland bleibt mangelhaft – Aufnahme noch geringer als angenommen

Backzutaten und Utensilien

Keinen Grund zur Entwarnung bei der Folatversorgung sieht der Arbeitskreis Folsäure und Gesundheit. Zwar hat die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) den empfohlenen Tageswert von 400 µg auf 300 µg gesenkt. Die Lücke zwischen empfohlener und realer Aufnahme bleibt aber groß. Denn nach einer von Wissenschaftlern des Max Rubner-Instituts vorgenommenen Neubewertung nimmt etwa die Hälfte aller Deutschen weniger als 200 µg Folat zu sich. Die Folataufnahme ist damit noch geringer als bislang vermutet. „Theoretisch lässt sich der empfohlene Tageswert durch gesunde Kost erreichen“, sagt Arbeitskreis Folsäure-Sprecher Prof. Dr. Berthold Koletzko. Praktisch aber erreichen viele Menschen die empfohlene Tageszufuhr nur, wenn sie mit Folsäure angereicherte Grundnahrungsmittel verzehren (zum Beispiel Speisesalze mit Folsäure). Der Arbeitskreis Folsäure und Gesundheit setzt sich für eine bessere Versorgung mit Folat ein (www.ak-folsaeure.de).

Folat benötige der Organismus, damit neue Zellen entstehen und wachsen könnten, erklärt Koletzko. Das lebenswichtige B-Vitamin trage außerdem dazu bei, den gefäßschädigenden Stoff Homocystein aus dem Blut zu „entsorgen“. Jugendlichen und Erwachsenen riet die DGE bisher, täglich 400 µg über die Nahrung aufzunehmen. Nach einer Neuauswertung von Studien geht die DGE jetzt von 300 µg aus, um gut versorgt zu sein [1,2]. Zugleich hat das Max Rubner-Institut die tatsächliche, mittlere (mediane*) Zufuhr auf Grundlage der Nationalen Verzehrsstudie (NVS II) neu berechnet: Sie beträgt jetzt für Frauen nur noch 184 µg, für Männern 207 µg Folsäure/Folat**. Das ist ebenfalls rund ein Viertel weniger, als bisher geschätzt. Die Wissenschaftler hatten die Daten von knapp 14.000 Studienteilnehmern anhand des aktuellen, sogenannten Bundeslebensmittelschlüssels neu analysiert [3,4].

Der Arbeitskreis Folsäure rät: So lässt sich die Folatlücke schließen

Verbraucher sollten sich an den Empfehlungen der DGE für eine vollwertige Ernährung [5] orientieren, rät Prof. Dr. Rima Obeid, stellvertretende Sprecherin des Arbeitskreises Folsäure. Gute natürliche Folatquellen sind beispielsweise grüne Gemüsesorten wie Blattsalat oder Spinat aber auch Kohlgemüse, Tomaten und Zitrusfrüchte sowie Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte. Ideal sind fünf Portionen Obst oder Gemüse am Tag (auch als Rohkost bzw. schonend zubereitet) und mehrmals täglich Vollkornprodukte. „Aber auch wenn das Wissen vorhanden ist, gelingt die praktische Umsetzung im Alltag oft nicht“, so Obeid. Für eine bessere Folatversorgung fordert der Arbeitskreis Folsäure zudem, Grundnahrungsmittel wie Mehl oder Backwaren mit Folsäure anzureichern, schon vorhandene Angebote wie beim Speisesalz sollten genutzt werden. Nicht hilfreich ist dagegen die wahllose Anreicherung von Produkten wie Orangensaft oder Süßwaren, die nur unregelmäßig verzehrt werden.

Schwangerschaft: Zusätzlich Folsäure-Präparate einnehmen

Schwangere und Stillende haben einen erhöhten Bedarf, die neuen DGE-Referenzwerte beziffern ihn auf 550 µg bzw. 450 µg Folat pro Tag (statt bisher je 600 µg). Wie die DGE rät der Arbeitskreis Folsäure und Gesundheit allen Frauen, bei Kinderwunsch schon vor der Schwangerschaft zusätzlich täglich ein Präparat mit mindestens 400 µg Folsäure einzunehmen, mindestens bis zum Ende des ersten Schwangerschaftsdrittels. Das ist deshalb so bedeutend, weil ein optimaler Folatstatus der Mutter den Embryo insbesondere schon zu Schwangerschaftsbeginn vor schweren angeborenen Fehlbildungen schützen kann, zum Beispiel vor sogenannten Neuralrohrdefekten. „Laut Nationaler Verzehrsstudie nutzen generell weniger als 20 Prozent der deutschen Frauen im gebärfähigen Alter eine zusätzliche Supplementation von Multivitaminpräparaten mit zum Beispiel Folsäure“, erklärt Obeid. „Da erfahrungsgemäß viele Schwangerschaften nicht geplant sind, sollte bei Frauen in diesem Alter besonders auf eine ausreichend Folatversorgung geachtet werden. Dieses Ziel lässt sich durch gezielte Supplementation beziehungsweise Folsäure-Anreicherung von ausgewählten Grundnahrungsmitteln erreichen.“

Weitere Informationen zum Thema erhalten Interessierte beim Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit, der vor mehr als 10 Jahren von Wissenschaftlern und Präventionsmedizinern gegründet wurde: www.ak-folsaeure.de


*Median: Die eine Hälfte aller gemessenen Werte liegt darüber, die andere Hälfte darunter

**Folsäure und Folat: Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird.

Quellen:

[1] Pressemeldung: „DGE veröffentlicht neue Referenzwerte für Folat“, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, 18. Juni 2013, www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=1286

[2] Ausgewählte Fragen und Antworten zu Folat, Deutsche Gesellschaft für Ernährung, Juni 2013, www.dge.de/pdf/ws/FAQ-Folat-DGE.pdf

[3] Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr, Kapitel Folat. Deutsche Gesellschaft für Ernährung. 1. Auflage, 5. korrigierter Nachdruck, 2013, www.dge.de/pdf/ws/Referenzwerte-2013-Folat.pdf

[4] Krems C, Walter C, Heuer T, Hoffmann I: Lebensmittelverzehr und Nährstoffzufuhr – Ergebnisse der Nationalen Verzehrsstudie II. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (Hrsg.): 12. Ernährungsbericht 2012. Bonn (2012) 40-85

[5] „Vollwertig essen und trinken nach den 10 Regeln der DGE“: www.dge.de/pdf/10-Regeln-der-DGE.pdf

Februar 2014

Mehr als Schwangerschaftsvorsorge: Folsäure und weitere B-Vitamine können das Schlaganfallrisiko senken

Paar am Strand

Meta-Analyse zeigt Reduktion um zwölf Prozent / Häufige Todesursache / Deutsche nehmen zu wenig Folsäure zu sich / Arbeitskreis Folsäure und Gesundheit klärt auf und gibt Tipps

Frankfurt am Main, 26. Februar 2013 (akfg) – Das Netzwerk „Gesund ins Leben“ empfiehlt Folsäure zur Schwangerschaftsvorsorge,1 das B‑Vitamin kann Kinder im Mutterleib vor schweren Fehlbildungen bewahren. Doch das scheint nicht der einzige Nutzen zu sein: Eine große Meta-Analyse weist darauf hin, dass die Einnahme von B‑Vitaminen wie Folsäure, B6 und B12 bei Patienten mit Gefäßkrankheiten offenbar auch das Schlaganfallrisiko reduzieren kann.2 Schlaganfall ist die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, betroffen sind meist ältere Personen.3,4 „Egal ob jung oder alt, die Deutschen nehmen zu wenig Folsäure bzw. Folat zu sich,“5 sagt Prof. Dr. Berthold Koletzko, München, Sprecher des Arbeitskreises Folsäure und Gesundheit, der sich für eine bessere Versorgung einsetzt (www.ak-folsaeure.de). Zu den Tipps des Arbeitskreises zählt, bei den Grundnahrungsmitteln (zum Beispiel beim Speisesalz) solche Angebote zu wählen, die mit Folsäure angereichert sind.

Der Meta-Analyse wurden 19 Studien mit insgesamt 47.921 Patienten mit vorbestehender Gefäßerkrankung zugrunde gelegt.2 Erhielten Personen gezielt B-Vitamine wie Folsäure, B6 und B12, sank das Risiko für einen Schlaganfall signifikant um zwölf Prozent, verglichen mit Patienten ohne zusätzliche Vitaminzufuhr. Die Studien dauerten 6 bis 85 Monate, waren randomisiert und wurden in der Mehrzahl doppelblind und placebokontrolliert durchgeführt. Die vor Schlaganfall schützende Wirkung lässt sich möglicherweise damit erklären, dass B-Vitamine wie Folsäure den Homocystein-Spiegel im Blut senken. Das Stoffwechselprodukt Homocystein steht im Verdacht, in zu hoher Konzentration die Blutgefäße zu schädigen.

Jährlich erleiden weit über 200.000 Deutsche einen Schlaganfall. Er ist nicht nur eine der häufigsten Todesursachen, sondern auch einer der häufigsten Gründe für erworbene Behinderung.3 Mit dem Alter erhöht sich das Risiko. Das Robert-Koch-Institut rechnet wegen des demographischen Wandels mit steigenden Fallzahlen.4 „In der Prävention können B-Vitamine wie Folsäure möglicherweise eine wichtige Rolle spielen“, so Koletzko. „Wünschenswert sind Studien zum präventiven Effekt bei gesunden Personen ohne vorherige kardiovaskuläre Erkrankung.“ In den USA wird seit 1998 Mehl obligatorisch mit Folsäure angereichert. Einer Erhebung aus dem Jahre 2006 zufolge könnte dadurch die Zahl tödlicher Schlaganfälle jährlich um rund 13.000 gesunken sein.6 In Deutschland wird Mehl derzeit nicht angereichert. Trotzdem kann jeder Verbraucher auch jetzt schon selbst vorsorgen.

Tipps für eine gute Versorgung

Um die Versorgung mit Folsäure/Folat zu verbessern, rät Koletzko: „Täglich frisches Obst und Gemüse, am besten fünf Mal und teilweise als Rohkost. Viel Folat enthalten beispielsweise Blattsalat, Spinat, Kohlgemüse, Tomaten und Orangen sowie Vollkornprodukte oder Hülsenfrüchte. Die Lebensmittel möglichst kurz und schonend garen (dünsten oder dämpfen), um das Vitamin zu erhalten. Außerdem sollten im Haushalt mit Folsäure angereicherte Grundnahrungsmittel (z. B. Speisesalz) verwendet werden. Davon profitieren alle Altersgruppen. Für Frauen, die sich Kinder wünschen, gilt, dass sie zusätzlich Nahrungsergänzungsmittel mit Folsäure/Folat (Tagesdosis mindestens 400 µg) aus der Apotheke nehmen sollten1.“

Folsäure und Folat

Das lebenswichtige B-Vitamin Folat bzw. Folsäure kann unser Körper nicht selbst bilden. Die verschiedenen folatwirksamen Verbindungen in Lebensmitteln bezeichnen Experten mit dem Sammelbegriff Folat(e). Folsäure ist die Bezeichnung für die Vitaminform, die bei der Anreicherung von Lebensmitteln zugesetzt wird. Weitere Informationen zum Thema erhalten interessierte Verbraucher beim Arbeitskreis Folsäure & Gesundheit, der vor mehr als 10 Jahren von Wissenschaftlern und Präventionsmedizinern ins Leben gerufen wurde (www.ak-folsaeure.de).

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Quellen:

  1. Koletzko B. et al.: Ernährung in der Schwangerschaft – Handlungsempfehlungen des Netzwerks Gesund ins Leben – Netzwerk Junge Familie. aid infodienst e.V. 2012, Bestell-Nr. 3589
  2. Huang T et al.: Meta-analysis of B vitamin supplementation on plasma homo-cysteine, cardiovascular and all-cause mortality. Clin Nutr 2012; 31(4): 448-454
  3. Heuschmann PU et al.: Schlaganfallhäufigkeit und Versorgung von Schlaganfallpatienten in Deutschland. Akt Neurol 2010; 37:333-340
  4. Robert Koch-Institut (Hrsg), Gesundheit in Deutschland, Gesundheitsberichterstattung des Bundes, Kapitel 1.2.2.2 Schlaganfall, Robert Koch-Institut, Berlin, 2006
  5. Nationale Verzehrsstudie II, Ergebnisbericht Teil 2, Max Rubner-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel, 2008
  6. Yang Q et al.: Improvement in Stroke Mortality in Canada and the United States, 1990 to 2002. Circulation 2006; 113:1335-1343

26. Februar 2013

Abdruck honorarfrei / Beleg erbeten